Zwischen den Deckeln: die Würde, die Kunst.
Wo von übertriebener Erinnerungskultur oder gar von einem Schuldkult gesprochen wird, hat die selektive Demenz das Erinnern längst verdrängt. Ein Moment der Gegenwart, nur Ausgewähltes noch davor und das Danach verspricht keine Besserung.
Das Erinnern ist dennoch zentral, darüber gibt es deutsche Einigkeit. Nur das Was stellt sich dar als kalkuliert umkämpfter Diskurs, der in seinen Schäbigkeiten kaum auszuhalten ist.
Tabula rasa – auf das Unaussprechliche folgt der Mythos einer Stunde Null, die unmöglich macht, die Nachbeben als solche zu erkennen, geschweige denn sich zu erinnern. Selbst das Ohrfeigen eines Altkanzlers konnte nicht verhindern, dass das Dreher-Gesetz weitgehend vergessen ist. Und die wohl zentralste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Kunstfreiheit ist heute so bekannt, als hätte es sie nie gegeben.

Hier setzt die performative Auseinandersetzung mit der
Mephisto-Entscheidung↗ an und vollstreckt ein Urteil, das sich nicht als Zensur verstanden wissen wollte, sie in seiner Konsequenz jedoch bedeutete. Fünfzehn Jahre ohne Nachdruck eines Buches voller Wut über eine durch Opportunismus ermöglichte Karriere im deutschen Faschismus: Selbstzensur des westdeutschen Verlagswesens aufgrund der realen Gefahr erneuter zivilrechtlicher Klagen.
Seit dem 23.05.2024 (75 Jahre Grundgesetz) werden mit schwarzer Farbe seitenweise jene Zeilen über den charakterlichen Zerfall von Menschen im Faschismus überrollt, welche in den Augen des westdeutschen Rechtsstaates nie hätten erscheinen dürfen. Buch um Buch schwindet so die lesbare westdeutsche Erstauflage von Klaus Manns Mephisto, erschienen in der Nymphenburger Verlagshandlung im Jahr 1965.
Jedes geschwärzte Exemplar ist Fragment des Erinnerns und Vergessens, Teil der performativen Auseinandersetzung. Festgehalten ist der Zeitraum des Schwärzens sowie die Nummer des Buches im Verhältnis zur Auflagenstärke. Die Verkaufspreise steigen hierbei linear: Kostete das erste Exemplar mit der Nummer 1/10.000 noch einen Euro, wird das tausendste bei tausend liegen. Mit dem Voranschreiten des Vergessens wächst der Preis des Erinnerns.
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